Zwei Künstler aus dem angrenzenden Elsaß, die sich für
Ton als Medium ihrer Kunst entschieden haben und international anerkannt
sind. Bei beiden wird sichtbar, daß sie das Material "Ton"
offener, weiter wahrnehmen, als es den Regeln des Kunsthandwerks
oder den üblichen und herkömmlichen Sehweisen und Vorstellungen
von Keramik entspricht. Außergewöhnliche und risikoreiche
Brennweisen - Holzbrand, Schmauchbrand -
verleihen den Skulpturen eine überraschende Expressivität.
Anne Bulliot
geboren 1961
In den Jahren 1980 - 85 Studium an der Hochschule für Angewandte
Kunst in Straßburg. Danach arbeitete sie in den Werkstätten
von Jean Nicola Gérard und Claude Varlan. 1986 gründete
Anne Bulliot ihr eigenes Atelier in Straßburg und beteiligte
sich erstmals erfolgreich an Ausstellungen und an einer wichtigen
nationalen Biennale. Seitdem zahlreiche Einzel - und Gruppenausstellungen
an allen wichtigen Plätzen Frankreichs und im übrigen
Europa.
Die Skulpturen von Anne Bulliot zeigen ein doppeltes Gesicht. deutliche
Spuren des Arbeitsprozesses und rauhe Naturbelassenheit des Materials,
dem Vulkangestein ähnlich - herausgelöst aus der erstarrten
Masse von Lava und doch dem ästhetischen Formwillen der Künstlerin
entsprungen - so der Eindruck einer ersten Begegnung. - Der Heftigkeit
des Gestus,der die Zerklüftungen hervorbringt, steht die Zärtlichkeit
des Polierens gegenüber. Dieser starke Gegensatz von ungestümer
Rauhheit und sanfter, farbiger Glätte bildet das Faszinosum
dieser Arbeiten - und ist zugleich ihre lebhafte Partitur von Leichtigkeit
und Schwere, Fülle und Leere, von Sich - schließen und
Sich - öffnen.
Durch den Schmauchbrand erhalten die
Skulpturen ihren magischen, schwarzen Farbschatten, der ihnen ein
geheimnisvolles inneres Leben und ihre spezifische Expressivität
verleiht.
Thiébaut Chagué
geboren 1958 im Val de Marne.
Bereits im Alter von 10 Jahren entdeckte er für sich die ungeheure
Anziehungskraft des Materials Ton. Nach dem Abitur war klar: er
wollte Keramiker werden! Ab 1976 begab er sich für fünf
Jahre auf die Wanderschaft durch die Werkstätten der damals
bedeutendsten Künstler Europas.
So auch bei Richard Batterham und Michael Cardew, hierzu sagt er
selbst:
"Ich habe bei Michael Cardew Unersetzliches gelernt. Vor allem,
den richtigen Zeitpunkt abzuwarten, wenn es gilt, die Materie zu
zähmen. Ich habe den Gestus entdeckt, die Inspiration, all
das, was die Kunst und das Kunstwerk formt."
Nach der Gründung einer eigenen Werkstatt 1982 war er mit
Ausstellungen weltweit an allen wichtigen Ausstellungsplätzen
vertreten. Entsprechend ist auch seine Präsenz in zahlreichen
privaten und öffentlichen Sammlungen.
Seit 1993 war er mehrmals in Nigeria mit künstlerischen Projektleitungen
und workshops betraut.
Die hohen, totemähnlichen Skulpturen (bis 1,75 m) von Thiébaut
Chagué beeindrucken durch eine aus dem Innern strahlende
Dynamik. In der Vielfalt ihrer Formen, Farben und Formate sind diese
Gefäße Standbilder unserer Kulturen - Monumente. Die
V -Form wird überdimensionale Vase oder - auf den Kopf gestellt
-mythische Spitze des legendären Einhorns.
Die urtümliche Kraft seiner Skulpturen wird durch das Brennen
im eigenen Holzofen betont und charaktervoll verstärkt. Der
"glückliche Zufall" im Holzofenbrand
ist für den Künstler zwar ein stetes Risiko aber ebenso
immer wieder ein Geschenk des Himmels, denn es verleiht dem irdischen
Material Ton neben neuem Glanz auch ein Stück Unsterblichkeit.
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